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Viel Zeit in Iringa - Glück im Unglück

Nach einem Wunderbaren Sonnenaufgang und keinem! Frühstück machen wir uns auf den Weg zum nächsten Dorf um dort vielleicht ein Omlett und nen Tee zu bekommen. Eier gibt es leider gerade nicht. Also nur Chapatti und Tee. Für die restlichen 100 Kilometer auf Schotterpiste möchte Bethan auf meinem Motorrad mitfahren. Also das Gepäck wieder in den Wagen. Es ist immer wieder interessant zu sehen wie sich Anfänger auf den Sozius eines Motorrades verhalten. Ich habe bisher die Erfahrung gemacht, das je weniger Erfahrung sie auf Motorrädern vorher gemacht haben, am besten noch nie einen Roller oder ein Motorrad selber gefahren haben oder mitgefahren sind, es leichter ist mit ihnen zu fahren. Sie verhalten sich genauso wie ich - aus Angst etwas falsch zu machen oder runter zu fallen. Das funktioniert dann super. Auch Bethan macht sich super als Beifahrer. Wir fliegen durch die Landschaft, grüßen immer wieder Einheimische, Kinder winken uns zu. Immer wieder schön so durch die abgelegeneren Gebiete zu reisen. Und hier hin kommen sonst keine Motorräder, da sie ja nicht in den Park dürfen. Irgendwann ist dann die Schotterpiste zuende und wir kehren zurück auf Teer. Aber da stimmt doch was nicht. Warum schwimmt meine Maschine auf einmal so?! Der Hinterreifen ist platt. Oh nein! Doch es wird noch schlimmer. Ein 5cm langes Loch klafft an der Seite des Reifen. Da muss sich  wohl irgendwo ein Stück Eisen oder ein wirklich scharfer Stein an meinem Reifen verewigt haben. Was nun? Wir nehmen den ganzen Reifen von der Felge und schauen uns die Bescherung mal genauer an. Der noch fast neue HeavyDuty-Schlauch, gerade mal 6.000 Kilometer gelaufen, ist total hin. Das Loch ist innen noch größer als außen. Wir schneiden ein großes Stück aus dem Schlauch und kleben es von innen in den Reifen. Von außen füllen wir das Loch mit Silicon um zu verhindern, das sich zu viel Sand in den Reifen setzt oder in das Innere gerät. Dann einen neuen Schlauch rein und den Reifen wieder aufgezogen, aufgepumpt und eingebaut. Schaut krass aus, auf einer Seite, der kaputten, hat der Reifen eine dicke Beule. Aber ich kann fahren. Mit max. 20 km/h geht es die letzten 15 Kilometer zurück nach Iringa. Fühlt sich an wie auf einem Schaukelpferd. Ein ewiges rauf und runter - wegen der Beule im Reifen. Aber ein ganz neues Gefühl des Reisens. So langsam. Man sieht viel mehr von der Landschaft. Und die Leute haben mehr Zeit auf einen zu reagieren. Faszinierend!!! Ich glaube ich muss mal eine richtig langsame Reise machen.

Wir beziehen Quartier in einem günstigen Hotel in Iringa. Ich treffe Elliot und Abbas vom Kesho-Project. Abbas fährt mit mir umher um nach einem Reifen zu suchen. Der Rest des Teams wird leider schon am nächsten Tag wieder abreisen, haben Bethan und Skip doch nicht so viel Zeit. Vorher muss ich aber noch schnell Geld wechseln. Ich brauche Dollars, hatte Ryan mir am Gate des Nationalparks doch 20 geliehen, da wir als nicht Einheimische doch mal wieder nur in dieser von mir mittlerweile doch ehr gehassten Währung bezahlen dürfen. Und mal wieder ist es kein einfaches Unterfangen. Jeder will Dollars, aber keiner hat Dollars. Die Wechselstube hat keine 150 Dollar auf Lager! In der Bank muss man erst das Geld per Visakarte am Automaten in tansanischen Schillingen abheben um dann am Schalter es direkt wieder in Dollar zu wechseln. Beide male fallen natürlich Gebühren an. Noch eine Frage warum ich den Dollar in Afrika nicht mag?! Viele Länder untergraben so konsequent ihre eigene Währung um sich dann im nächsten Moment um über eben den hierdurch herbeigeführten Wertverlust zu beschweren.
Abschied. Nach mehr als 4 Monaten gemeinsamen Reisen seit Gondar in Ethiopia trennen sich hier wohl nun doch unsere Wege. Ein bisschen Trauer, habe ich das Team doch sehr lieb gewonnen. In einer solchen langen Zeit lernt man sich doch sehr stark kennen, die Stärken und Schwächen der anderen. Und sie zeigen einem auch die Eigenen. Ohne das Team hätte ich niemals den Turkana-See gesehen, wäre wohl nur ganz zügig durch Kenia gereist. Gwyn und Ryan haben es genossen einen weiteren Gesprächspartner zur Seite zu haben - verhalten sie sich doch manchmal wie ein altes Ehepaar. Doch sie müssen weiter. Wir verabschieden uns ganz kurz. Sind ja Männer ;-) Man verspricht sich sich wieder zu sehen. Sich gegenseitig zu besuchen. Und dann fahren sie los. Gwyn hat mir noch ein Andenken da gelassen. Das 4WD-Zeichen ist von seinem Landcruiser abgefallen und er hat es jetzt an das Heck meiner Ténéré geklebt. Nett!

Was nun?! Ich muss mich wieder auf die Suche nach einem neuen Reifen machen und ansonsten könnte ich die Zeit nutzen um mal wieder etwas an meiner Seite zu arbeiten, hänge ich doch etliche Wochen mit dem Schreiben hinterher. Später werde ich mich wieder mit Abbas treffen, doch vorher mache ich mich noch alleine auf den Weg um verschiedene Läden für Motorradteile die ich in der Stadt gesehen habe abzulaufen und Erkundigungen über mögliche Reifen einzuholen. Doch bei dieser Suche sind direkt mehrere nicht gerade helfende Faktoren:

  1. Sprachbarrieren:
    Reicht das englisch der lokalen Bevölkerung für die normale Alltagskommunikation gerade noch aus, ist es bei der Diskussion technischer Merkmale doch ehr unzulänglich und das gleiche gilt für mein Kisuaheli.
  2. Masseinheiten:
    Während die "westliche" Welt doch immer mehr auf die heute gebräuchliche Schreibweise von Breite in Millimeter und Höhe in Prozent zu Breite zuzüglich des Felgenradius in Zoll umstellt, wird hier immer noch in der alten zölligen Schreibweise gehandelt. Doch welche Reifendimension brauch ich dann?
  3. Unübliche Größe eines Pikipiki (kisuaheli für Motorrad):
    Die von mir benötigte Reifendimension in Verbindung mit dem Loadindex treibt den Reifenhändlern dann ein großes Fragezeichen ins Gesicht. Für sie scheint es sich so anzuhören, als ob ich einen LKW auf 2 Rädern fahre. Vorne ein sehr großes Rad - 21 Zoll, OK, das kennt man noch von den lokalen Enduros -, hinten ein scheinbar kleines Rad - die lokalen haben alle 18 Zoll und nicht 17 wie die Ténéré, sollte ich jemals einen neue Hinterradfelge benötigen wird da einen 18-Zoll-Felge eingebaut - was dafür aber fast doppelt so breit wie die gewöhnlichen lokalen Räder sind und zu guter Letzt eine Loadindex der wohl auch das Gewicht eines Elefanten (Babyelefant) tragen könnte.

Naja, klappt irgendwie nicht. Auch mit Abbas am Nachmittag bleibt das erst einmal ohne Ergebnis.

Am nächsten Morgen mache ich eine kleine Ausfahrt mit Abbas auf seinem Dienstmotorrad, einer 200er Honda Enduro. Er fährt mich zur neuesten Baustelle des Kesho-Project. Hier haben sie gerade eben ein neues Schulgebäude errichtet, welches nun kurz vor der Übergabe an die Regierung steht und dann hoffentlich in einem Monat den Schulbetrieb auf nehmen soll.  Im Umkreis von 12 Kilometern ist es hier das einzige Schulgebäude und somit eine ganz neue Perspektive für die Kinder dieser Gegend. Auch besuchen wir die Männer die die Lehmziegel für diese Schule hergestellt haben. Sie schaffen es 500 Stück am Tag in Handarbeit herzustellen. Mehr als 3 Monate haben sie gebraucht die 40.000 Ziegel für die Schule zu produzieren. Zu letzt noch ein Besuch im örtliche Health-Center. Auch dieser Teil Tansanias hat mit einer sehr hohen HIV-Infektionsrate und zusätzlich einem sehr hohen Anteil Behinderungen bei Neugeborenen zu kämpfen. Abbas hat noch ein paar Dinge zu erledigen so das ich den Bus zurück nach Iringa nehme. Eine 15 Kilometer Busfahrt für ca 0,26 Euro. Das ist doch mal eine günstige Fahrt und für alle Beteiligten ein sehr interessantes Erlebnis. Zum einen bin ich doch der einzige Weisse in diesem vollen Bus und zum anderen ohne jedmögliches Gepäck, nur meine Kamera führe ich mit, in einem kleinen Dorf zugestiegen. "Woher kommt er wohl dieser Weiße?" steht den anderen Reisenden ins Gesicht geschrieben.

Zeit fürs Mittagessen! Ich habe gehört das die Lasagne im Restaurant von Neema Craft sehr gut sein soll. Also Los! Noch schnell mein Notebook im Hotel geholt, da es im Cafe auch ein Funknetzwerk geben soll. Die Lasagne ist wirklich gut! Doch den Computer mache ich heute und in den nächsten Tagen nicht an. Im Restaurant treffe ich auf eine Gruppe Amerikaner von YoungLife, einer christlichen Organisation. Sie sind nach Iringa gekommen um in den Werkstätten von Neema Craft eine Woche als Praktikanten zu helfen. Nach kurzem Gespräch steht fest: "Da mache ich mit!". Nach der Mittagspause mache ich mich gemeinsam mit einem Teil der Gruppe daran ein risieges Mosaik in Form eines Salamanders zu gestalten um damit den Gastraum des Restaurants zu verschönern. Hätte nie gedacht das das so viel Arbeit sein kann. Insgesamt werden wir 4 Tage mit 5 Personen an diesem Mosaik arbeiten. Dafür sieht es dann aber auch einfach faszinierend aus als der ca. 2 Meter lange Salamander ander Wand hängt. Zusammen mit ein paar kleineren Schmetterlingsmosaiken die wir im Gebäuder verteilt angebracht haben ist die Atmosphäre noch gemütlicher geworden. Ein weiteres Projekt an dem die Gruppenmitglieder Tiffany, Wesley und Jordan arbeiten, ist ein Töpferofen. Hört sich erst einmal unspektakulär an. Ist es auch wenn man wie wir in Europa so einen Ofen einfach Kaufen kann und ihn dann an das vorhandene Starkstromnetz anschließt. Aber das geht hier leider nicht. Das heitß das der Ofen mit anderem Brennmaterial befeuert werden muss. In diesem Fall ist das altes Motorenöl. Dieses muss erhitzt werden, damit es sich leichter entzündet. Läßt man dieses nun auf eine ein heißes, halbes Metallrohr tropfen und gebe zusätzlich ein paar Tropfen Wasser hinzu, ergibt sich das, was wir normalerweise als einen schönen Küchenbrand kennen. Man vergesse eine Pfanne mit Öl auf dem Herd und versuche dann das Feuer mit Wasser zu löschen. Die Mythbusters im Fernsehen haben es schon geschafft damit eine 9 Meter hohe Stichflamme zu erzeugen. Nach oben hilft die uns aber nicht viel, wir wollen die Flamme und die Hitze ja in den Ofen reinbekommen. Also platziere man einfach an einem Ende des halbierten Metallrohrs ein starkes Gebläse und das andere Ende führt in den Offen. Hört sich im Prinzip alles einfach an, aber ist es leider nicht. Dieses hatte leider schon ein Team vor uns festgestellt. Das heißt, das der eigentliche Steinofen schon existiert, aber das Befeuerungssystem mit einem viel zu komplexen System aus Luftkanälen, Pumpen für die Flüssigkeiten uns viel zu langen Wegen leider nie richtig funktioniert hat. Tiffany, Wesley und Jordan verbringen 3 Tage damit, dieses alte System zu entfernen und heraus zu finden wie wir auf einfachstem Wege den Ofen befeuern können. Ich selber darf auch noch einen Tag zusammen mit ihnen an unsere Testinstallation herumspielen. Dann schaffen wir es mit diesem Setup den offen über eine Öffnung für eine ganze Stunde ohne Unterbrechung zu befeuern. Das ist ein riesen Erfolg. Wir entscheiden uns für eine feste Installation in der das ganze System nur über Schwerkraft mit Öl und Wasser befeuert wird. Hierfür müssen nun aber auch die Tanks für Wasser und Öl auf Ständern aufgestellt werden und zumindest der Ständer für das Öl so robust gebaut werden, das man unter dem Tank ein Feuer machen kann um das Öl zum kochen zu bringen. In der letzten Nacht vor der Abreise der Gruppe schaffen wir es dann auch schließlich dieses neue System das erste mal, wenn auch noch nicht 100% fertig installiert, den Ofen für 1,5 Stunden durchgehend zu befeuern. Glücklich kann die Gruppe von YoungLife ihre Heimreise antreten. Ich versprechen Ihnen mich in der Zeit die ich noch in Iringa weiter verbringe um das Projekt zu kümmern. Nach einer Woche ist es wieder Zeit von einer weiteren Gruppe abschied zu nehmen. Wir haben jeden Tag viel Spaß gehabt und es war immer was los, Abends trafen wir uns zu Reflexionsrunden oder sehen gemeinsam Fußballspiele, wir arbeiten in allen Abteilungen der Behindertenwerkstätten, lachen viel mit den anderen Angestellten und machen auch mal einen Ausflug zu Felsen mit jahrtausende alten Felsmalereien.

Auf mich wartet eine weiterhin ungewisse Zeit in Iringa. Ich habe immer noch keinen neuen Reifen. Aber ich genieße die Zeit hier!