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Vom Regen in die Traufe oder wie ich mir eine Piste nicht vorstelle

Addis liegt hinter uns. Wieder sind wir auf dem Weg Richtung Süden zum Omo-Valley. Aber diesmal sitze ich endlich wieder auf meinem Motorrad. Wir nehmen die Route nach Yabello recht zügig unter die Räder. Doch es ist immer höchste Vorsicht geboten, den scheinbar habe sich sowohl die Einheimischen als auch die Esel dieses wunderbaren Landes bis heute noch nicht auf modernen Straßenverkehr - selbst auf den Hauptverbindungsstraßen - eingestellt. Ständig queren Menschen oder Tiere die Straße und dies ohne jeglichen Verkehr zu beachten. Wenn ein Esel dann doch bemerkt das ein Fahrzeug naht, bleiben sie mit Vorliebe mitten auf der Straße stehen. Richtig eng wird es dann als plötzlich ein LKW einfach so aus dem Busch auf die Straße einbiegt und dafür auch noch die ganze Breite der Fahrbahn benötigt. Nur Zentimeter vor ihm komme ich zum stehen. Laut fluchend hämmere ich mit den Fäusten gegen sein Führerhaus. Doch er scheint gar nicht zu verstehen warum ich sauer bin, schließlich hat er doch das größere Fahrzeug. Doch er bekommt seine Quittung lediglich 100 Meter weiter, wo er von einem Polizisten angehalten wird und erst einmal Standpauke bezüglich der Vorfahrtsregelung bekommt. Der Schreck sitzt tief bei mir, zumal ich nicht in den Straßengraben hätte ausweichen können, da dieser nur aus einer tiefen Schlammlandschaft besteht.

Hinter Yabello verlassen wir den Asphalt. Von hier an werden wir die nächsten 10 Tage nur noch auf Pisten unterwegs sein werden. In Konso erstehe ich 4 Benzinkanister und fülle diese und meinen Tank mit insgesamt 67 Litern Benzin. Von nun an werde ich in jedem Dorf versuchen auf zu tanken, da uns berichtet wurde, das am Lake Turkana kein Sprit verfügbar ist. Am Sonntag den 7. März 2010 gegen 19.00 Uhr bekommen wir den Ausreisestempel Äthiopiens - vor datiert auf den 8.3. - in unsere Reisepässe, und dürfen dann sogar noch auf dem Gelände des Grenzposten übernachten. Von hier aus werden wir die nächsten Tage zusätzlich mit Hugo und Isabella - meine Reisegefährten aus Äthiopien - und ihrem Landcruiser reisen.

Kenia wir kommen! Illegal!!! Denn auf kenianischer Seite wird auf den Karten zwar ein Ort namens Banyafort erwähnt, der Ort ist aber nicht wirklich existent. Weit und breit kein Grenzposten. Das heißt, das wir bis Nairobi mit der offiziellen Einreise warten müssen. Auch mein Visa werde ich erst dort beantragen können. Na, das ist doch mal was: 1 Woche illegal in Kenia.

Der Unterschied von Kenia zu Äthiopien ist sehr schnell erkennbar. Wir sehen kaum noch Menschen. Die Abstände zwischen den Dörfern werden immer größer. Doch auch die Schlammlöcher auf der Piste größer. Dreimal müssen wir am ersten Tag in Kenia aus dem Schlamm befreien. Unangenehm wird es, als sich beide Fahrzeuge gleichzeitig fest fahren. Zum Glück helfen uns Einheimische einer nahen Mission.
Die nächsten Tage werden fahrerisch die bisher schwierigsten der bisherigen Reise. Das Ostufer des Lake Turkana besteht in weiten Gebieten aus Steinwüsten. Viel Lavagestein und Geröll. Die Piste besteht darin, das jemand die ganz großen Brocken zur Seite geräumt hat. Was für ein 4x4 Fahrzeug relative einfach zu meistern ist, ist die reine Hölle auf dem Motorrad. Es ist als würde man den ganzen Tag über Tennisbälle fahren. Das Hinterrad hat sicherlich mehr als die doppelte Strecke des Vorderrades zurückgelegt. Immer wieder gleitet die Maschine zur Seite weg. 10 mal am Tag das Motorrad aufheben ist hier normal. Anfahren am Berg? Unmöglich! Keine Traktion! Doch es lohnt sich. Die Landschaft ist einfach atemberaubend. Weite Teile bestehen aus Steinwüste. Jede Auf- und Abfahrt ist eine neue Herausforderung in Fels und Stein. Doch es gibt auch weite glatte Ebenen. Wir fegen mit über 100 km/h über diese hinweg. Ziehen große Schleifen. Lassen die Fahrzeuge mal richtig rennen. Und dann kommt wieder Sand. Ich stürze. Mal wieder! Die Jungs bestätigen mir, das ich mit dem Stunt in jedem Actionfilm auftreten kann. Ein perfekter Flug über den Lenker. Mit dem Kopf voran in den Sand. Mehrmals überschlagen. Kurz liegenbleiben, Knochen zählen. Dann aufspringen, lachen. Weiter geht's!

So etwas fordert natürlich Tribut. Meine Mitreisenden beschweren sich das ich Unmengen an Nahrung vertilge. Und mein Nummernschild fällt ab. Der Kunststoffträger hat sich regelrecht aufgelöst. Von nun an wird das Nummernschild oben auf der Gepäckbrücke mit Draht befestigt. Lesen kann das keiner. Aber hier ist ja auch niemand.

In North Horr, dem ersten wirklichen Dorf, gibt's dann sogar ein kleines Restaurant. Und das erste kenianische Tusker Bier. Es dauert unendlich lange bis wir unser Essen bekommen. Ich unterhalte mich mit dem "Manager". Er sieht so 4 bis 5 Reisende in seinem Dorf, im Monat. Auf meine Frage wie viele Motorradfahrer er denn schon gesehen hat, muss er doch ein bisschen länger überlegen. Er stellt mit erstaunen fest, das ich scheinbar der dritte bin an den er sich erinnern kann.
Von hier an hat die "Straße" einen Namen - c77 - was ihren Zustand aber auch nicht besser macht. Sie führt zurück zum Ufer des Sees in wird erst einmal von Sand bestimmt. Immer wieder fahren uns Isabella und Hugo davon, aber irgendwie holen wir sie dann Abends doch wieder ein ;-) In einem Ausgetrockneten Flußbett hat sich ein LKW festgefahren. Uns ist klar, das auch wir ihn da nicht rausziehen können, ohne größere Schäden am Antriebsstrang des Landcruisers zu riskieren. Also fangen wir mit an zu buddeln, wöhrend andere die Ladung abladen. Der LKW hat Lebensmittel von USAID geladen. Oft stellen wir uns die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, was die ganzen Hilfsorganisationen hier tun. Sie bringen Lebensmittel für die Bevölkerung, was sicherlich ein guter Ansatz ist. Aber sie verschenken diese Lebensmittel, was dann wiederum den lokalen Markt untergräbt und die Bevölkerung langfristig in eine Art Erwartungshaltung bringt. Nach einiger Zeit trifft dann ein weitere LKW ein und wir können uns wieder auf den Weg machen.
Nächstes Etappenziel ist Loyangalani. Hier gibt es eine Lodge, von der wir schon öfter gehört haben. Soll ganz nett sein, und, das macht sie so besonders, Pools mit warmen Quellwasser haben. Da unsere letzte Dusche nun doch schon einige Tage her ist, wäre dies wohl eine willkommene Gelegenheit. Natürlich treffen wir hier auch Isabella und Hugo. Hugo sitzt schon an der Bar spendiert uns erst einmal ein kühles Tusker. Vorher haben wir aber alle erst ein mal unseren Kopf unter den ersten Wasserhahn den wir finden konnten gehalten. Wow! Leider waren die Pools leer und ein Zimmer sollte 3000 kenianische Schilling kosten - was ca. 30 Euro sind. Zu viel für uns. Also wieder mal lokale Restaurants und dann Camping außerhalb. Wir bekommen herrlichen Fisch und Ugali, dazu ne Coke und Chay. Mal wieder richtig satt für 2 Euro. Zum campen fahren wir dann auf eine Landzunge, die weit in den See hinein reicht. Es ist sehr windig, schon fast stürmig. Juchhu. Dann wird es Nachts kalt im Zelt und man kann gut schlafen.

Der Morgen bringt leider erst ein mal Arbeit. Ich habe meine erste Reifenpanne. Nach nun ca. 22.000 Kilometer hat es mich dann doch einmal erwischt. Der Vorderreifen ist Platt. Aber das sollte kein Problem sein. Wenn wir denn die Vorderachse ausbauen könnten. Nach dem mir in Ungarn schon aufgefallen war, das ich kein passendes Werkzeug zum Ausbau der Achse hatte, besorgte ich mir dort eins. Leider nur, in Ermangelung von Alternativen, in schlechter Qualität. Das Werkzeug verdreht sich in sich, aber die Achse sitzt fest. Warum legt Yamaha seinem Bordwerkzeug nicht dieses Werkzeug bei. Ist es so ungewöhnlich das man das Vorderrad ausbauen möchte. Ist doch nur ein 14 mm Imbusschlüssel. Mit passenden Schrauben und Muttern schaffen wir es dann doch irgendwann die Achse auszubauen. Der Rest ist dann schnell erledigt. Zur Erfrischung dann noch schnell ein Bad im See. Viele haben uns vor den Krokodilen hier gewarnt, wir haben aber leider keine gesehen. Nur ganz mächtig große Fische die die Fischer aus dem Wasser gezogen haben.

Weiter gehts. Die Piste wird auch nicht besser. Wahrscheinlich würde ich in Europa nicht mal auf solchen Wegen wandern, und hier muss ich sie unter die Räder nehmen.  Unser Weg führt uns weiter über Maralall, wo wir 2 Nächte im Yare Camel Club campen nach Nanyuki. Wir passieren das Mugie Wildlife Conservancy.  Es ist einer der unzähligen Tierparks in Kenia. Direkt von der Hauptpiste aus sind selbst große Tiere zu sehen. Wir fahren an einem Wasserloch vorbei, an dem gerade eine kleine Herde Zebras zum trinken steht. Und dann Giraffen. Majestätisch schreiten sie durch den Busch. Ihre Bewegungen wirken so ruhig und entspannt, doch sie sind trotzdem so schnell. Einfach erhaben.

Wir campen wieder in der Wildnis. Direkt an einem riesigen Felsen, der natürlich erklommen wird. Von seinem Gipfel aus hat man eine herrliche Aussicht über das Umland. Bis zum Horizont erstreckt sich der grüne Busch. In der Ferne kann ich eine Buschpiste für kleine Flugzeuge erkennen. Doch sie wird im Moment nur von Antilopen bevölkert. Große Greifvögel kreisen über der Szene, doch wir haben uns schon so an sie gewöhnt, da seit Äthiopien eigentlich immer Greifvögel in Sichtweite waren. Zum kochen entfachen wir wieder ein Feuer, welches dann als angenehmer Nebeneffekt, die Insekten etwas auf Abstand hält. Plötzlich hören wir einen Jeep herankommen. Wir löschen unsere Lampen und verhalten uns ruhig. Das Feuer ist zum GLück im Moment sehr weit herunter gebrannt. Dann kommen 3 Männer auf unser Camp zu. Einer trägt ein Gewehr. Doch sie begrüßen uns freundlich. Sie fragen uns nach unserer Campingerlaubnis. Eine Erlaubnis? Mitten im Busch? Es stellt sich heraus, das wir uns auf dem Gebiet einer Ranch befinden -  zu der auch die Landebahn gehört. Aber wir dürfen für die Nacht bleiben, auch ohne Erlaubnis. Wir sollen nur aufpassen, da manchmal Morgens Elefanten dieses Gebiet passieren. Na das wäre doch mal was.

Leider sehen wir keine Elefanten und können ganz unbehelligt abziehen. Vor Nanyuki wird die Piste dann viel besser. Eine richtig gute Schotterpiste über die man mit 90 km/h hinwegfegen kann. Hier und da mal ein kleiner Sprung! Herrlich.
Nach ca. 1600 Kilometern ist es dann wieder so weit. Wir haben wieder Teer unter den Rädern. Vor 8 Tagen haben wir den Teer in Yabello/Äthiopien verlassen. Von hier aus geht es nun über geteerte Straßen bis nach Nairobi. Doch wir machen auch schnell Bekanntschaft mit den berüchtigten kenianischen "Pottholes". Nach einer Woche in Kenia fahren wir nun in der Hauptstadt Nairobi - meine 11. Hauptstadt auf dieser Reise - ein.

Wir bleiben hier für eine knappe Woche. Geoffray nimmt uns herzlich in seiner Wohnung auf, auch ihn haben wir wieder über CouchSurfing kennengelernt. Die Einreiseprozedere für mein Visa und für das Carnte de Passage sind innerhalb eines Vormittags erledigt. Ich finde eine Yamahawerkstatt und beauftrage sie mein Motorrad wieder in Stand zu setzen und eine Inspektion durch zu führen. Eine neue Felge ist hier leider nicht aufzutreiben, so das ich sie aus Deutschland bestellen muss.

Zum St. Patricks Day gehen wir in einen Irish Pub. Wir haben seit dem verlassen von Europa nicht mehr so viele weiße Menschen gesehen. Gwyn sagt, es wären sogar mehr als in Clubs in London. Nairobi zeigt sich uns als eine sehr vielschichtige Stadt. Wir sehen Slums, weiße Viertel, Nationalparks in Sichtweite des Stadtzentrums, lokale Märkte und große Shoppingsmalls. An jeder Ecke gibt es FastFood, doch wir suchen uns lieber die kleinen Garküchen und genießen die lokale Kost. Für den Kenianer ist Fleisch in seiner täglichen Kost scheinbar sehr wichtig.
Wir wollen die Zeit in der wir auf meine Felge warten müssen nutzen um zur Küste zu fahren.